
Eines Tages, als sie kleine Kinder waren, spielte Mohammad mit seinem Bruder Karim im alten Haus – dem Stall der Tiere. Da sagte Mohammad: „Karim, ich habe eine gute Idee für ein schönes Spiel.“ Und Karim fragte: „Was für ein Spiel ist das?“ „Bring mir Feuer aus der Küche, dann zeig' ich es dir“, erwiderte Mohammad.
Und so ging Karim in die Küche und holte Feuer. Als er zurückkam, sprach Mohammad: „Hier ist viel Heu für die Tiere. Wir wollen schauen, was passiert, wenn wir das Feuer zum Heu bringen.“ Und Karim zündete das Heu mit dem Feuer aus der Küche an. Dieses aber brannte sofort lichterloh und breitete sich aus. Schnell stand der ganze Stall in Flammen und erreichte auch Mohammad und Karim.
Karim stand näher an der Tür und lief schreiend aus dem Stall. Das schwere ehemalige Haustor aber fiel hinter ihm ins Schloss und sein Bruder Mohammad war in den Flammen gefangen. So schnell er konnte, rannte Karim zu seiner Mutter und erzählte ihr weinend, dass der Stall in Flammen stehe und sein Bruder darin gefangen sei. Beide rannten zurück, um Mohammad zu befreien, aber es war schon zu spät. Sie fanden den Jungen wie tot am Boden liegen. Das Feuer hatte seine Haut überall am Körper schwer verbrannt und eines seiner Augen zerstört. Er war jedoch am Leben und so kam er ins Krankenhaus. Alle dachten, dass er sterben würde, aber wie durch ein Wunder überlebte Mohammad.
Die Jahre vergingen. Aus Mohammad und seinen Brüdern waren erwachsene Männer geworden, die zusammen mit ihrer Mutter in dem Haus lebten, wo sie schon immer gewohnt hatten.
Während jedoch seine Brüder jeden Tag arbeiteten, war Mohammad seit dem Feuer nie wieder richtig gesund geworden. Er verbrachte seine Tage daheim und auf der Straße. Alle Leute kannten und liebten Mohammad, weil er immer gutgelaunt und zu jedem freundlich war. Bango* und Rotes Wasser** halfen ihm gegen die Schmerzen, die sonst unerträglich gewesen wären. Er rauchte und trank jeden Tag und alle wussten das. Auch die Ärzte sagten, ohne "seine Medizin" könnte Mohammad die Schmerzen nicht ertragen und würde wahrscheinlich sterben.
Und so war Mohammad jeden Tag in den Straßen seiner Stadt unterwegs. Er rauchte, trank und unterhielt sich mit den Leuten. Er war mit seinem Leben zufrieden. Weil er kein Geld verdiente, bekam Mohammad jeden Monat einige Pfund vom Sheikh. Damit kaufte er Bango und Rotes Wasser. Essen und Trinken bekam er daheim oder Leute luden ihn ein.
So war alles gut. Doch dann kam Corona. Mohammads Brüder verloren einer nach dem anderen ihre Arbeit. Keiner verdiente mehr Geld. Die ganze Familie war nun zu Hause. Essen und Trinken gab es nur noch das, was sie sich von den Lebensmittelkarten, die sie vom Staat bekamen, kaufen konnten. Sie mussten nicht hungern, aber hatten nur noch das Nötigste. Schließlich sprach Mohammads Mutter mit ihren Söhnen: „Was sollen wir jetzt tun? Keiner von euch hat Arbeit, aber wir brauchen ein bisschen Geld.“ Und sie überlegte und hatte einen Einfall.
Weil sie wusste, dass Mohammad jeden Monat Geld vom Sheikh bekam, ging sie zu ihm: „Mohammad, du bist mir der liebste von all meinen Söhnen und ich habe immer gut für dich gesorgt. Jetzt aber haben wir kein Geld mehr, weil deine Brüder wegen Corona ihre Arbeit verloren haben. Wir brauchen dringend einige Sachen und du musst uns etwas von deinem Geld geben, damit wir einkaufen können.“
Mohammad aber antwortete: „Es tut mir leid Mutter, aber ich kann nicht helfen. Ich habe kein Geld.“ Seine Mutter wusste jedoch, dass das nicht wahr war und Mohammad nur alles für Marihuana und Alkohol behalten wollte. Deshalb wurde sie wütend und sagte zu ihrem Sohn: „Wenn du uns nicht hilfst, kannst du nicht länger bei uns bleiben. Dann musst du gehen!“ Und Mohammad antwortete: „Dann ist das so!“
Und so ging er auf die Straße, rauchte eine Zigarette Bango, trank Rotes Wasser und dachte nach, was er nun tun könne. Und es kam ihm eine Idee. Er ging zum Haus des Sheikhs und sagte: „Sheikh, ich brauche eine Wohnung.“ Dieser war erstaunt und antwortete: „Aber ich gebe dir doch schon jeden Monat Geld.“ Doch Mohammad antwortete: „Du weißt, dass ich krank bin. Ich brauche das ganze Geld für den Doktor und meine Medizin. Von dem, was du mir gibst, bleibt nichts übrig, um eine Wohnung zu bezahlen“
Der Sheikh dachte kurz nach. „Hast du ein Stück Erde, das dir gehört?“ fragte er. Und Mohammad antwortete: „Ja, ich habe eigene Erde.“ „Gut“, sagte der Sheikh, „dann zeig' meinen Leuten, wo dein Land ist und warte ein bisschen.“ Und Mohammad ging mit den Männern zu dem Platz, der sein Eigentum war und wartete, wie der Sheikh es ihm befohlen hatte. Schlafen legte er sich in dieser Zeit irgendwo auf der Straße, was nicht so schlimm war. Es war schon fast Sommer und die Nächte waren nicht mehr so kalt. Und zu essen bekam er immer etwas von den Leuten der Stadt.
Nach zwei Wochen holten die Männer des Sheikhs Mohammad und brachten ihn zu seinem Grundstück, wo inzwischen ein kleinen Haus stand, das der Sheikh für ihn hatte bauen lassen. Seit dem wohnt Mohammad in seinem Haus und alles ist wieder gut. Und auch seine Familie hat sich wieder mit ihm vertragen.
*Bezeichnung für Marihuana
**Selbstgebrautes Getränk, das neben Alkohol auch noch andere Drogen enthält. Die genaue Zusammensetzung kennen wir nicht. Es gibt Rotes und auch Weißes Wasser. Auf gar keinen Fall ausprobieren, unbedingt Finger weg!