Woche 3: 29. März bis 4. April 2024

Veröffentlicht am 4. April 2024 um 13:42

Verwirrung bei der Geschlechtsbestimmung

Jeden Tag versuche ich bei den Welpen, die leicht greifbar sind, nachzuschauen, ob es sich um Buben oder Mädchen handelt. Bei erwachsenen Hunden ist das ein leichtes Spiel, diese kleinen Würmchen überfordern mich anfangs allerdings. Für mich sehen die Geschlechtsorgane alle gleich aus.

Ich wundere mich zwar, dass ich nur kleine Rüden identifiziere, freu mich aber darüber. Schließlich bedeutet dies, die Kastrationen sind problemloser als bei Hündinnen. Irgendwann kommen aber Zweifel auf. Ich google nochmal, sehe mir alles genau an. Schließlich entecke ich, worauf ich achten muss. Auch wenn Vaginas und Penisse sich - meiner Meinung nach - in diesem Alter sehr ähneln, gibt es einen entscheidenden Unterschied: Das männliche Geschlechtsorgan befindet sich mehr in der Bauchmitte, das weibliche am Bauchende nahe beim After - wie bei den erwachsenen Hunden auch. Eigentlich alles logisch, aber für mich war es anfangs trotzdem verwirrend.

Nach und nach öffnen sich bei allen die Augen

Die dritte Lebenswoche der Kleinen verläuft eigentlich recht ruhig. Einer nach dem anderen öffnet die Augen, sie werden immer lebhafter und fangen langsam auch an miteinander zu spielen. Stundenlang könnten wir ihnen zusehen. Sie sind einfach zu niedlich. Pollys Vertrauen zu uns wächst ebenfalls. Als mir an einem Nachmittag - wie immer - alle Hunde entgegenlaufen, vergisst unser "scheues Reh" für einen kurzen Moment ihre Zurückhaltung. Sie stupst mit ihrer Nase an meine Hand und ich bin wieder mal den Freudentränen nah. Wer schon einmal erlebt hat, wie ein Angsthund das erste Mal Nähe zulässt, kennt dieses Glücksgefühl.

Auf die Ruhe folgt der Sturm - der 1. April ist ein schwarzer Tag

Am Ostersonntag kommt schließlich das böse Erwachen. Um sechs Uhr morgens schreibt mir Kathi: "Die Welpen sind weg! ALLE!" Wir treffen uns sofort unten und stehen vor dem leeren Welpennest. Alle Hunde sind aufgeregt. Polly geht immer wieder zu dem Platz, schnuppert dort und gräbt auch im Sand. Das zerstört eigentlich schon unsere einzige Hoffnung, dass die Mutter selbst sie an einen anderen Platz gebracht haben könnte. Während Kathi berichtet, dass sie um Mitternacht noch unten gewesen sei und zu diesem Zeitpunkt alle noch da gewesen wären, kommt Gamil - der nette Doorman, der auch immer aufpasst. "Ich suche seit Stunden nach den Babys", sagt er traurig. "Es muss sie jemand weggebracht haben", fasst er als Erster unsere größte Angst in Worte.

Wir sind fassungslos und traurig und wütend und verstehen die Welt nicht mehr. Was sind das für "Menschen", die so etwas tun? Eines steht für uns fest: Wir wollen rausfinden, wer dahintersteckt. Falls wir Beweise haben, werden wir Anzeige bei der Polizei erstatten. Eine Kamera ist schräg gegenüber. Gamil ruft bei der Hausverwaltung an. "Die Kamera funktioniert zwar,  aber es gibt zur Zeit ein Problem mit dem Passwort. Dies wird benötigt, um die Video-Aufzeichnungen anzuschauen", erklärt er uns. Und weiter: "In ein paar Tagen soll dies aber repariert werden und dann können wir schauen."

Viel Zuspruch - aber auch ein paar unfreundliche Kommentare bei Facebook

Mein Post bei Facebook, dass die Babys wohl entsorgt wurden, löst viel Empörung und Mitgefühl aus. Es gibt aber auch ein paar Leute, die uns eine Mitschuld geben: "Warum habt ihr sie nicht an einen sicheren Ort gebracht?" oder "Wie naiv muss man sein, um zu meinen, das ginge gut?" Es gibt auch einige "gute" Ratschläge, wir hätten sie eventuell auf einem Pferdehof unterbringen oder zu uns nach Hause nehmen sollen. Gott sei Dank sehen die meisten Follower es aber realistisch. Einen Baladi - noch dazu eine so scheue Hündin wie Polly - nimmst du nicht einfach mit in die Wohnung. Sie hätte das nie mitgemacht.

Ich glaube, ich kann von mir behaupten, dass ich ziemlich selbstkritisch bin und auch Ratschläge gerne annehme. In diesem Fall weiß ich jedoch, dass wir nichts falsch gemacht haben. Zu wahrer Tierliebe gehört eben auch, die Bedürfnisse und den Charakter eines Lebewesens zu akzeptieren und zu respektieren. Das schmerzt manchmal, denn du meinst es gut. Du musst es aber dennoch zulassen.

Nena hat Recht: "Wunder gescheh'n"

So vergeht auch der folgende Tag. Wir füttern Hunde und Katzen, sind sehr niedergeschlagen. Patricia, die mit ihrer Familie eine Wohnung in dem Haus bei Pollys Platz hat, meldet sich. "Als uns um 2 Uhr morgens ein Taxi zum Flughafen gebracht hat, waren die Welpen noch da", schreibt sie mir. Das grenzt den Zeitraum des Verschwindens noch enger ein. Es muss zwischen 2 und 6 Uhr passiert sein. 

Abends sitze ich mit Mahmoud auf der Terrasse. Und wieder meldet sich  Patricia über WhatsApp bei mir: "Marion, schau' dir diesen Link an", schreibt sie aufgeregt. "Das sind doch Pollys Welpen!" Ich traue meinen Augen nicht. In der Facebook-Gruppe "Hurghada Animals" hat ein Mann ein Foto von neun Welpen gepostet, die er in der Nähe des City Centers gefunden hat. Er bittet um Hilfe, da die Kleinen ohne Mutter seien und ohne Hilfe sterben würden. Inzwischen kommen immer mehr Nachrichten von Followern, die den Post ebenfalls gelesen haben und ihn mir schicken. Mit Patricias Hilfe, die bereits Kontakt aufgenommen hat, können wir telefonieren. Mahmoud spricht mit ihm und macht sich sofort auf den Weg, um die Kleinen abzuholen.

Als mein Mann zurückkommt, genügt ein Blick und ich weiß: Wir haben die Welpen zurück. Polly ist erst etwas verwirrt, schnuppert immer wieder, hält aber dann wieder Distanz. Zusammen mit Gamil bereitet Mahmoud einen sichereren Platz - unter einem Treppenaufgang - vor. Dies soll das neue Welpenzimmer sein. Da es nicht direkt an der Straße liegt und auch ebenerdig ist, halten wir den Ort für besser geeignet und auch ruhiger.

Leider ist Polly damit jedoch nicht einverstanden. Sie nimmt den ersten Welpen und trägt ihn zurück zum alten Standort. Wir holen das Baby wieder, aber Polly schafft es wieder weg. Schließlich müssen wir einsehen: Das funktioniert nicht und tragen alle Neun an den alten Platz.

Das Drama hat uns ein paar neue Helfer geschenkt

Die dritte Lebenswoche der Welpen endet also - Gott sei Dank - mit einem Happy-End. Unsere kleinen Schützlinge sind zurück und wir haben sogar ein paar Helfer bekommen. Außer Gamil gibt es noch zwei Ägypter - Haani und Mohamad - sowie zwei Europäerinnen, die uns zur Seite stehen.

Die Männer bereiten nur ein paar Meter weiter einen Platz vor, der zwar genau so an der Straße liegt, der aber ein bisschen mehr Sichtschutz durch Pflanzen bietet und den Polly selbst schon im Visier hatte. Ihre Bemühen, ein Loch dort zu buddeln, wurde durch abgelegte Holzteile behindert. Die werden zur Seite geschafft und es wird sauber gemacht. Als wir Pollys Welpen in das neue Zuhause legen, ist die Spannung groß, ob sie den Platz annimmt. Dieses Mal ist unsere Baladi-Mama einverstanden. Wir haben Glück und sie legt sich zu ihren Kindern.

Unsere Drohung zur Polizei zu gehen, sorgt kurz für Nervosität

Wir hoffen, dass die Leute, die das getan haben, es nicht wieder versuchen. Da wir aber verbreiten, dass wir zur Polizei gehen, wenn uns Beweise vorliegen, lassen sie es vielleicht. Es gab bereits Anzeichen von Nervosität und Angst! Berechtigt, denn wir lassen das nicht auf sich beruhen. Drückt uns die Daumen, dass das Video etwas aufgezeichnet hat.

Eine neue Eskalation beschert uns schließlich eine gute Lösung

Leider gibt es am nächsten Tag wieder massiven Ärger mit einem Ägypter. Als seine kleine Tochter aus dem Haus läuft, bellt Foxi sie an. Die Kleine schreit wie am Spieß und der Vater verscheucht die Hunde. Er droht uns damit das Government anzurufen, damit die Hunde vergiftet werden. Die Situation ist sehr kritisch! Kathi, Anneke, Haani und ich überlegen, was wir tun können. Wäre es eine Lösung, jemanden zu bezahlen, der nachts auf die Hunde aufpasst? Wirklich gut, ist das auch nicht. Da die Racker bald viel beweglicher sein werden, lauern auch noch viele andere Gefahren.

Schließlich gibt es eine unerwartete Lösung. Wir bekommen die Möglichkeit, die Hundefamilie an einen sicheren Ort zu bringen. Dort ist abgeschlossen und keiner hat Zugriff auf die Babys, um sie wieder wegzubringen oder zu töten. Das Beste dabei ist, dass der Platz so eingerichtet ist, dass zwar die Welpen nicht abhauen, Polly und die anderen Hunde aber kommen und gehen können, wie sie wollen.

So endet die dritte Lebenswoche von Pollys Rasselbande doch noch gut!

Herzlichen Dank an alle, die uns in den letzten Tagen unterstützt haben.  "Shukran kathiran Mohamad!" der die Welpen gefunden und so schnell gehandelt hat.

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