Woche6: 19. bis 25. April 2024

Veröffentlicht am 25. April 2024 um 16:15

Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir sie nicht immer schützen können

Die sechste Lebenswoche der Welpen beginnt wieder mit einer kleinen Aufregung. Als Kathi und ich morgens zu ihnen kommen, sind einige auf dem Platz vor ihrem Unterschlupf. Von der Mauer hat jemand die seitlichen Steine entfernt, damit sie rein- und rauskönnen.

Einerseits ist das gut, denn sie brauchen mehr Platz zum Spielen, andererseits können sie jetzt auch abhauen oder eben wieder geklaut werden. Uns ist klar, dass wir sie nicht ewig schützen können.

Fürs Erste bleiben wir eine Zeitlang bei den Kleinen, schauen ihnen beim Spielen zu und sind wieder mal hin und weg. Sie sind einfach allerliebst und wir fragen uns erneut: "Wer kann diesen arglosen Wesen ein Leid zufügen? Wie verroht muss eine Person sein, die dazu fähig ist?"

Als wir gehen, setzen wir die Rasselbande in ihr Gehege und machen es wieder ausbruchsicher. Sie sind nach dem Essen und Toben sowieso müde und werden erst einmal alle schlafen.

Polly schenkt mir einen Glücksmoment

Eine besonders schönes Erlebnis wird uns auch noch beschert. Als Polly mit drei Welpen entspannt liegt, stört es sie nicht, als ich neben ihr knie. Es gelingt mir sogar - zum allerersten Mal - sie ganz vorsichtig zu streicheln. Ob sie wirklich registriert, dass ich das bin oder meint, die Berührung kommt von den Babys, kann ich nicht sicher sagen. Es bleibt vorerst jedenfalls bei diesem ersten Hautkontakt und ich fürchte auch, sie wusste einfach nicht, dass ich sie angefasst habe.

Dennoch hat Polly in diesen Wochen unheimliche Fortschritte gemacht. Ganz am Anfang lag ihre Schmerzgrenze bei mindestens fünf Metern Abstand. Inzwischen duldet sie sowohl Kathi als auch mich direkt an ihrer Seite. Wenn sie uns sieht, läuft sie uns genauso entgegen wie die anderen Rudelmitglieder und ihre Freude ist wirklich riesig. Sie genießt unsere Nähe und beobachtet genau, wie die anderen Hunde - einschließlich ihrer Welpen - von uns gestreichelt werden. Es tut uns einfach in der Seele weh, dass sie so viel Angst hat und wir fragen uns immer wieder: "Was muss diese wunderbare Hündin schon Schreckliches erlebt haben?"

Die drei Buben haben jetzt alle Namen

Primus, weil er der este war, der die Augen geöffnet hat.

Amun - nach dem ägyptischen Sonnen- und Hauptgott, weil er der größte ist.

Amal, weil das auf deutsch Hoffnung heißt und wir immer noch allen eine sichere Zukunft wünschen.

Amal bedeutet Hoffnung und einer der Welpen soll auch diesen Namen tragen

Gestern Abend meldet sich eine Frau aus Hessen. Sie würde gerne einen kleinen Rüden adoptieren. Da sie weiß, dass eine Ausreise erst mit frühestens sieben Monaten möglich ist und ihr das nichts ausmacht, schöpfen wir wieder Hoffnung. Vielleicht können wir doch zumindest ein paar von den Rackern an liebe Menschen vermitteln.

Heute morgen machen wir Fotos von den drei kleinen Rüden und ich gebe ihnen auch Namen, damit wir sie besser unterscheiden können. Primus hatte ich schon vor Wochen so getauft, da er der erste war, der die Augen geöffnet hatte. Bei den anderen möchte ich eigentlich ägyptische Namen, denn irgendwie finde ich es schön, wenn die Verbundenheit zu ihrer Heimat damit zum Ausdruck kommt. Außerdem können eventuelle neue Besitzer die Namen jederzeit ändern.

Nach kurzer Überlegung entscheide ich mich beim größten für Amun. Das ist in der Mythologie der ägyptische Sonnen- und auch zeitweise Hauptgott. Unser Amun ist groß und stark. Dominant ist er nach unseren bisherigen Eindrücken jedoch nicht besonders. Den Ton geben in diesem Rudel eher die Mädels an.

Der dritte im Bunde heißt ab heute Amal. Das bededeutet auf deutsch Hoffnung. Ein Hund sollte - symbolisch für alle - unbedingt so heißen.

Sobald unsere Schützlinge ohne Polly sein können, brauchen wir eine Alternative

Auch am Sonntag herrscht eitel Sonnenschein bei den Welpen. Da sie lautstark protestieren, wenn wir ihr "Schlafzimmer" mit den Steinen absperren, lässt Gamil sie immer raus.

Wir wissen auch, dass der Verschlag inzwischen zu klein ist, aber draußen ist es nicht sicher. Wieder stehen wir vor einem Problem, für das es momentan keine Lösung gibt.

Am Donnerstag werden die Kleinen sechs Wochen. Bis zu einem Alter von acht Wochen müssen sie eigentlich unbedingt noch bei der Mutter bleiben.

Zwar sind zwei Monate für eine Trennung auch noch sehr früh, aber in diesem Fall wahrscheinlich das kleinere Übel. Eine kleine Hündin hat einen sicheren Platz bei Anneke und Mohamad - ein netter Ägypter, der uns tatkräftig gegen die Hundehasser unterstützt hat - nimmt eventuell auch einen unserer Schützlinge.

Bleiben immer noch mindestens sieben Hunde! Zumindest für einige davon, müssen wir eine Lösung finden.

Mein Besuch in Faraks Stall festigt meinen Entschluss die Welpen doch zu vermitteln

Vor ein paar Tagen gab mir Alexandra aus der Oberpfalz einen Tipp. Sie hatte ihre Hündin vor deren Ausreise nach Deutschland bei einer Pferde- und Kamelranch unterbringen können. Farak sei sehr tierlieb und absolut verlässlich. Da die Zeit schnell vergeht, besuche ich den Ägypter und seine Tiere.

Nicht weit vom Bluemoon Animal Center finde ich den Stall und auch Farak. Er erinnert sich sofort an Alexandra und lädt mich auf einen Kaffee ein. Auf der Terrasse liegen zwei Cane Corso-Mischlinge und ein Straßenhund, ein Golden Retriever kommt auch noch dazu. Alle Hunde sind entspannt und können sich frei bewegen. Hier wäre ein guter Platz für unsere Schützlinge.

Ich frage Farak, wie viel die Unterbringung monatlich pro Fellnase kosten würde. "Ich liebe Tiere und will nicht so viel Geld dafür", sagt er. "Normalerweise kostet die Unterbringung bei mir im Monat 4500 EGP.“  Das sind knapp 85 Euro. Im Vergleich zu Tierpensionen in Deutschland  ist das nicht viel. Für sieben oder acht Hunde können wir uns das jedoch nicht leisten.

Wir müssen überlegen, wie wir vorgehen. Entweder wir geben ihm nur die Tiere, die bereits sichere Interessenten in Deutschland haben oder wir benötigen finanzielle Unterstützung. Vielleicht finden wir Paten bei Facebook.

Auch Amuns und Amals Zukunft ist gesichert

Innerhalb von nur zwei Tagen gibt es zwei gute Nachrichten:

Samstag Abend bekomme ich von Angela die Zusage, dass Amal bei ihr sein neues Zuhause finden wird. Zusammen mit ihrem Mann und zwei sehr lieben Rüden lebt sie in einem Haus mit großem Garten. Hier wird Amal - sobald er nach Deutschland ausreisen darf und wir einen Flugpaten haben - sein Leben genießen dürfen. Ein Hundetraum wird wahr!

Auch die neue Woche beginnt positiv. Als wir Montag Morgen auf dem Weg zu den Welpen sind, begegnet uns Mohamad. Auf meine Frage, ob er sich entschieden habe, ob und welchen der Racker er nehmen möchte, antwortet er: "Ich war gestern Nachmittgag eine Stunde bei den Babys und habe mich für den weißen Rüden entschieden." Das bedeutet: Auch Amuns Weg ins Glück hat begonnen.

Soviel gute Neuigkeiten geben Energie und so vereinbare ich in der Bluemoon Klinik die ersten Impftermine für unsere Schützlinge.

Mein zweiter Besuch bei Farak besiegelt das Schicksal von Pollys Welpen

Der Gedanke, dass wir alle Hunde bei Farak unterbringen, lässt mich einfach nicht los. Deshalb fahr ich am Dienstag erneut zu ihm. Handeln bzw. Geldangelegenheiten im allgemeinen sind überhaupt nicht mein Ding, aber den Welpen zuliebe überwinde ich mich.

Wie beim ersten Mal werde ich freundlich empfangen und auf die Terrasse eingeladen. Als wir beim Kaffe sitzen, rücke ich raus: "Farak, ich weiß, dass 4500 EGP pro Hund im Monat nicht viel sind, aber wir können uns das einfach nicht für alle leisten. Ich werde zwar versuchen Spenden zu bekommen, aber die Kosten für Impfungen, Ausreisepapiere etc. muss ich ja auch noch irgendwie stemmen." Der Ägypter reagiert einfach großartig und beweist mit seinen Worten erneut, dass ihm Tiere wirklich am Herzen liegen.  "Ich will euch helfen", sagt er und fragt nach: "Wären 21000 EGP pro Monat für alle sieben Welpen in Ordnung für dich?"

Farak wird auf seiner Ranch einen schönen Platz für die Racker einrichten. Zusammen mit Charly (siehe Foto) , sowie Dimmy und Rex werden sie hier ein tolles Hundeleben führen dürfen - ohne Angst und Schrecken.

Dieses Angebot kann und will ich einfach annehmen. Rund 403 Euro im Monat bedeutet pro Fellnase 1,92 Euro am Tag. Obwohl ich noch keinen einzigen Paten oder Spender habe, will ich den Kleinen diese Chance einfach geben. Wenn mich niemand unterstützt, wird es sehr hart werden, aber irgendwie wird es machbar sein. So stimme ich zu und Farak erklärt mir, dass er auf der linken Seite des Geländes für den Anfang zur Eingewöhnung ein Gehege mit Überdachung bauen werde.  Danach werden meine Lieblinge mit den anderen im Rudel frei auf der Ranch leben dürfen. Er will sogar einen großen, flachen Behälter mit Wasser reinstellen, damit die Hunde sich abkühlen können. Bereits seit ein paar Tagen ist es ziemlich heiß und der Sommer mit manchmal über 40 Grad ist nicht mehr weit. Wir vereinbaren, dass ich die Welpen so bald wie möglich zu ihm bringe und ich fahre mit leichterem Herzen und einem großen Glücksgefühl heim.

Es gibt sie immer noch - die wirklich gutherzigen Menschen

Daheim angekommen beginne ich einen Spendenaufruf für Facebook zu schreiben. Kaum habe ich gepostet, erhalte ich die erste Anfrage. Ich kann unser Glück wieder einmal nicht fassen. Alexandra wird am nächsten Tag vorbeikommen und etwas beisteuern. Am Donnerstag trefffe ich Marianna, die mir schon vor ein paar Wochen ihre Unterstützung zugesagt hatte und jetzt in Hurghada ist.

Als ich am nächsten Morgen aufstehe, habe ich zwei weitere Nachrichten. Yvonne will mich monatlich unterstützen. Sie übernimmt also eine Patenschaft. Die zweite Frau möchte etwas spenden und darüber hinaus wird auch Angela, die Amal adoptiert, monatlich für ihren Schützling einen Teil  der Kosten tragen. Ich bin wirklich überwältigt!

Alexandra aus Österreich (links) und Marianna aus der Schweiz haben die Welpen besucht.

Auch die sechste Lebenswoche der Welpen war aufregend und ereignisreich - allerdings endlich einmal im positiven Sinn. Der Entschluss die kleinen Racker nicht ihrem Schicksal zu überlassen wird kleine leichte Aufgabe werden. Ich habe mich aber nun dafür entschieden und werde das auch durchziehen.

Gott sei Dank steh' ich nicht ganz alleine da, denn es gibt sie: Menschen mit einem großen Herz für Tiere!