Brautwerbung - Fatma, Leila und Mira

Veröffentlicht am 6. August 2023 um 18:39

Brautwerbung

 

In Ägypten werden häufig Ehe geschlossen, ohne dass das Brautpaar sich vorher wirklich gut kennt. Meist sieht ein junger Mann ein Mädchen bei einem Familienfest oder auf der Straße oder er wird von seiner Familie auf eine junge Frau aufmerksam gemacht. Wenn sie ihm gefällt, macht er sich auf den Weg zu ihrem Vater und hält um ihre Hand an. Das war vor hunderten von Jahren schon so und daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

Allerdings erlaubt das Gesetz heute nur Ehen, wenn sowohl Bräutigam als auch Braut volljährig– also mindestens 18 Jahre alt - sind. Ebenso sind Zwangsehen verboten. Beide Ehepartner müssen freiwillig den Bund der Ehe eingehen.

Die Realität kann auch heute noch anders aussehen. Die jungen Frauen aber durchaus auch die Männer wagen es nicht ihren Familien zu widersprechen und gehen – trotz Zweifeln oder sogar Abneigung - den Bund fürs Leben ein. Dazu kommt, dass man sich gar nicht oder kaum kennt. Bis heute glaubt man an das Prinzip: „Die Liebe kommt mit der Zeit.“ Romantische Gefühle spielen meist keine Rolle. Viel wichtiger sind Vermögen und Ansehen. Da eine Eheschließung sehr teuer ist, finden bei sozial schwachen Familien oft Hochzeiten zwischen Cousins und Cousinen statt. Üblich ist, dass die Braut von ihrem Zukünftigen Gold als Brautgabe bekommt. Darüber hinaus muss er sowohl Wohnung als auch Einrichtung zur Verfügung stellen. Die Familie der Frau hat die Aufgabe für die Aussteuer zu sorgen - Küchengeräte, Bettzeug, Handtücher etc.

Die Folge sind hohe Scheidungsraten unter den jungen Menschen. Was wiederum eine Vielzahl von Problemen nach sich zieht, da eine Scheidung einerseits sehr kostspielig für Männer ist und für Frauen andererseits oft bedeutet, dass sie sozial ins Abseits geraten. Hier ist jedoch ein Wandel festzustellen. Es gibt inzwischen auch geschiedene Frauen, die wieder geheiratet haben.

Die folgenden drei Geschichten erzählen von Fällen, bei denen alles gut gegangen ist. Alle Beteiligten hatten Glück!

Fatma – Hochzeit in den 90er Jahren

Ali war 22 Jahre alt. Er war gerade beim Militär und hatte eine Woche Urlaub, die er daheim verbrachte, als sein Vater zu ihm sagte: „In unserer Nachbarschaft gibt es ein gutes Mädchen. Sie heißt Fatma und ist 12 Jahre alt. Ich denke, sie wäre eine gute Frau für dich. Es wird für dich Zeit, dass du heiratest. Ich möchte, dass du sie dir ansiehst.“

Und so ging Ali, um das Mädchen zu sehen. Fatma spielte gerade auf der Straße mit ihren Freundinnen, als er zu ihrem Haus kam. Er schaute sie an und sie gefiel ihm und deshalb fragte er ihren Vater, ob er mit einer Hochzeit einverstanden sei. Beide Familien waren arm und Fatmas Vater war froh, dass ein guter Mann sie zur Frau nehmen wollte. Man wurde sich deshalb schnell einig. Fatma wurde nicht gefragt.

Nach seinem Urlaub musste Ali zurück zum Militär. Er erzählte seinem Vorgesetzten, dass er nun eine Verlobte habe und bald heiraten wolle. Weil Ali ein guter Mann war und sein Chef ihn gern mochte, genehmigte er ihm eine weitere Woche Urlaub, damit die Hochzeit stattfinden konnte.

Und so fuhr Ali ein paar Wochen später wieder in seine Heimatstadt, um zu heiraten. Fatma hatte große Angst vor der Hochzeit und dem Mann. Sie wollte bei ihrer Familie bleiben und mit ihren Freundinnen spielen und nicht eine verheiratete Frau sein – mit allen Pflichten, die zu einer Ehe gehörten.

Aber es half nichts. Die Hochzeit fand statt und sie wurden Mann und Frau. Fatma aber hatte großes Glück, denn Ali war ein sehr netter Mann. Er behandelte sie immer gut. Selbst, dass sie am Anfang ihrer Ehe nicht kochen konnte, hatte ihn nicht wütend gemacht. Ali ist bis heute ein sehr ruhiger und geduldiger Mann. Sie haben Kinder bekommen und sind bis heute zusammen. Reich sind sie nie geworden. Sie leben sehr bescheiden, aber sie sind zufrieden und - ja tatsächlich – sie lieben sich!

Leila – Hochzeit vor 14 Jahren (ca. 2008)

Leila war ungefähr 14 oder 15 Jahre alt, als Mohammad zu ihrem Vater Islam ging. „Ich möchte deine Tochter heiraten. Sie gefällt mir und ich werde ihr ein guter Mann sein“, sagte er. Leilas Vater hatte nichts dagegen. Mohammad war der Sohn seiner Cousine. Er war kein Taugenichts, hatte eine gute Arbeit und die Familie seiner Cousine lebte in einem großen Haus. Deshalb sagte Islam zu Mohammad: „Ich werde Leila fragen. Wenn sie dich heiraten will, bin ich einverstanden.“ Und so ging Mohammad und wartete auf die Antwort.

Islam aber ging zu seiner Tochter und sprach zu ihr: „Leila, heute war dein Cousin Mohammad bei mir. Er möchte, dass du seine Frau wirst. Möchtest du ihn heiraten?“ „Ich will Mohammad nicht. Wenn ich ihn heiraten muss, werde ich sterben“, antwortete Leila aufgebracht. Damit war es entschieden und Islam machte sich auf den Weg, um Mohammad die Antwort seiner Tochter zu überbringen.

Dieser war sehr wütend, weil Leila ihn nicht zum Mann nehmen wollte und auch seine Familie wollte die Entscheidung nicht akzeptieren. Islam jedoch sagte: „Es tut mir leid, aber ich kann nichts machen. Wenn Leila dich nicht heiraten will, ist das so.“ Und damit war alles gesagt und Islam ging nachhause. Die Familie seiner Cousine aber sprach viele Jahre kein Wort mehr mit Islam und sie hatten keinen Kontakt mehr.

Nach Mohammad kamen noch einige andere Männer zu Leilas Vater, die ihn um ihre Hand baten. Alle hatten gute Arbeit, waren  anständig, wohnten in schönen Häusern und manche hatten sogar Geschäfte. Islam hatte gegen keinen der Männer etwas einzuwenden, aber seine Tochter wollte keinen von ihnen.

Schließlich kam Abdullah, ein junger Mann, der ein paar Straßen weiter wohnte. Abdullah war viel ärmer als alle anderen Männer. Seine Familie wohnte in einem kleinen Haus und wenn  Leila seine Frau werden würde, würden sie nur ein kleines Zimmer für sich haben. Abgesehen davon, war aber auch er ein guter Mann. Islam hatte nach den Erfahrungen mit seiner Tochter zwar wenig Hoffnung, aber er sagte auch zu ihm: „Abdullah, ich werde Leila fragen und wenn sie dich heiraten will, gebe ich sie dir zur Frau.“

Am Abend sprach Islam mit Leila über Abdullah und dass dieser sie heiraten wolle. Leila kannte Abdullah aber nicht und deshalb lud ihr Vater ihn am nächsten Tag ein, damit seine Tochter ihn anschauen konnte. Als Abdullah wieder gegangen war, fragte er Leila: „Wie ist deine Antwort? Möchtest du Abdullah heiraten?“ Und sie antwortete: „Ja, ich bin einverstanden. Er gefällt mir,  ich werde ihn heiraten.“

Bald darauf feierten Leila und Abdullah Hochzeit. Und auch Leila hatte Glück mit ihrem Mann. Sie sind nach 13 Jahren immer noch glücklich, haben zwei Kinder und inzwischen haben sie im Haus von Abdullahs Eltern ein eigenes Stockwerk, in dem sie wohnen.

Mira – vor einem Jahr (2022)

Auf der Hochzeit seines Bruders hatte Samuel das Mädchen Mira zum ersten Mal gesehen und sie gefiel ihm gut. Mira war 16 Jahre alt und so ging Samuel zu ihrem Vater Ramadan und sagte, dass er sie gerne zur Frau haben wollte. Miras Vater war sehr glücklich und stimmte gerne zu. „Ich werde Mira fragen und wenn sie ,Ja' sagt, können wir in ein paar Wochen eure Verlobung feiern. Mit der Hochzeit müsst ihr allerdings noch zwei Jahre warten, bis Mira 18 Jahre alt ist.“

Sobald Samuel gegangen war, erzählte Ramadan seiner Tochter von ihm. „Samuel hat dich auf der Hochzeit gesehen. Er ist 30 Jahre alt und ein guter Mann. Er hat eine gute Arbeit und du wirst in einem schönen Haus wohnen. Bist du mit der Hochzeit einverstanden?“ Ihr Vater war von Samuel begeistert und lobte ihn sehr. So stimmte Mira zu und Ramadan rief Samuel an, um mit ihm den Termin für die Verlobung festzusetzen.

Nur wenige Wochen später war es so weit. Wie üblich wurde drei Tage lang gefeiert und alle waren sehr zufrieden. Nur Ahmad – Miras Onkel – hatte bemerkt, dass die Braut traurig aussah und sogar geweint hatte. Er fragte  eine von Miras älteren Schwestern: „Was ist los mit dem Kind? Warum weint sie? Möchte sie diese Verlobung nicht?“ Aber die Schwester antwortete: „Nein, nein – alles ist gut! Mira ist nur traurig, weil die alte Frau vom Haus gegenüber gestern gestorben ist.“ Und so wurde weiter gefeiert und alles schien gut zu sein.

Ein paar Wochen später aber hielt Mira es nicht mehr länger aus. Sie ging zu ihrem Vater und sagte ihm, dass sie Samuel nicht heiraten wollte.  Ramadan war entsetzt, schimpfte viel und wusste nicht, wie er das Samuel und dessen Familie erklären sollte. Er fragte Ahmad um Rat: „Da kannst du nichts machen. Du musst zu Samuel gehen und ihm sagen, dass Mira ihn doch nicht will.“

Und so musste Ramadan gehen und die Verlobung wurde aufgelöst. Samuel war enttäuscht, aber er verstand sehr gut, dass man Mira nicht zwingen konnte. Die Familien sind sich nicht böse und reden noch miteinander.